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Reals Mogel-Modernisierung in Dinslaken: Dasselbe in Grau

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In der festen Absicht, niedrigere Gehälter für seine Mitarbeiter durchzusetzen, verzettelt sich Real gerade massiv mit den Gewerkschaften. Weil es mit Verdi keine Einigung gab, beschlossen Geschäftsführung und Metro-Vorstand eine Abspaltung des Warenhausgeschäfts, das auf die Dienstleistungs-Tocher Metro Services GmbH übergehen sollte, um Mitarbeiter nach dem dort geltenden Tarif bezahlen zu können. Daraufhin hat die zuständige Kleingewerkschaft DHV der Metro die Vertragsbeziehung gekündigt.

Metro argumentiert, eine Senkung der Personalkosten sei dringend notwendig, damit Real im umkämpften deutschen Markt bestehen könne.

Aber das ist allenfalls die halbe Wahrheit. Die SB-Warenhauskette krankt vor allem daran, dass Metro über viele Jahre nicht die notwendigen Investitionen bereitgestellt hat, um die zum Teil stark heruntergekommenen Läden angemessen zu modernisieren und ein zeitgemäßes Konzept für sie zu entwickeln.

Dabei hatte sich Real Ende des vergangenen Jahres noch so viel Mühe gegeben, alles nach Neuanfang aussehen zu lassen. Im November meldete das Unternehmen, sein in Krefeld getestetes „Markthallen“-Konzept (siehe Supermarktblog) habe sich als voller Erfolg erwiesen. (Alles andere wäre auch äußerst peinlich gewesen, nachdem Metro-Chef Olaf Koch den Umbau schon frühzeitig zum Hit erklärt hatte.) Weitere „Markthallen“ sollen in Braunschweig und Bielefeld eröffnen.

Von den in Krefeld gewonnenen Erkenntnissen profitierten aber „auch zahlreiche weitere real Märkte durch erweiterte Sortimente“:

„Angefangen von hausgemachten Artikeln und einem großen Angebot an regionalen Produkten über den Ausbau nachhaltiger Sortimente bis hin zu einem erweiterten persönlichen Service und einer besseren Vernetzung mit digitalen Angeboten.“

Real-CEO Henning Gieseke ließ sich mit den Worten zitieren:

„Wir werden daher die ‚Markthalle‘ konsequent ausrollen und Elemente daraus auch in anderen real Märkten umsetzen.“

Drei Wochen zuvor hatte sich Real bereits einen neuen Markenauftritt verpasst, seinem Logo einen neuen Anstrich verpasst und angekündigt, in allen Läden künftig einen veränderten Schwerpunkt setzen zu wollen (siehe Supermarktblog):

„Auf Basis des neuen Corporate Designs werden bereits die ersten ausgewählten Märkte umgestaltet. So erhalten sie neben dem neuen Logo zusätzlich auch im Markt deutlich sichtbare Veränderungen. (…) Durch eine Konzentration auf die wichtigsten Nonfood-Produkte erhält das Lebensmittel-Sortiment mehr Platz im Markt.“

Ein halbes Jahr später ist es erstaunlich still um diese Initiative geworden, und deshalb Zeit, sich mal anzuschauen, was von all den Versprechungen tatsächlich in den Märkten ankommt, die keinen „Markthallen“-Vorzugsumbau genießen werden. Aber dafür weiterhin den Großteil des Filialnetzes ausmachen, mit dem das Unternehmen in den kommenden Jahren wieder erfolgreich werden will.

Zum Beispiel in Dinslaken.

Der dortige Real-Markt am Rande des Stadtzentrums ist keine Schönheit und kein Vorzeigemarkt, gehört aber zu Läden, die bereits nach dem neuen Markenauftritt umgestaltet wurden – und eignet sich deshalb ideal für einen Alltags-Check. Bereits der grau getünchte Kundentresen mit dem dunkelblauen Real-Logo weist am Eingang darauf hin, dass sich etwas verändert hat. Leider wird die Realität (wie gewohnt) nicht den Schmuckbehauptungen gerecht, die sich die Real-Pressestelle für sie ausgedacht hat.


Nonfood: Im Laden bestellen, was andere online kaufen

Dabei löst Real tatsächlich das Versprechen ein, auf den 5.200 Quadratmetern nur noch grundlegende Nonfood-Artikel anzubieten und den Rest der Fläche den Lebensmitteln zu lassen. Die Chance, dafür auch den Marktaufbau zu verändern, hat die Handelskette in Dinslaken jedoch ungenutzt gelassen.

Wer den Laden betritt, wird weiterhin nicht mit inszenierter Obst- und Gemüse-Vielfalt gelockt (wie das inzwischen selbst bei Discountern zum Standard wird), sondern steht zwischen Sonderverkaufsfläche und Technikabteilung, während im breiten Mittelgang weiter vorne schon ganz aufgeregt ein alter Bekannter winkt: der „Alles 1€“-Papppanzer. (Grüße!, soll ich sagen.)

Die „bessere Vernetzung mit digitalen Angeboten“ sieht so aus, dass jemand einen in Microsoft Word erstellten DIN-A-4-Zettel auf Umweltpapier ausgedruckt hat, der in einem Plastikaufsteller vor dem TV-„Angebot der Woche“ Reals Online-Kompetenz ganz treffend zusammenfasst:

„Unsere Online – Highlights: Amazon Fire TV Stick

Sehr geehrte Kunden, diesen Artikel können wir für sie [sic] hier vor Ort bestellen.“

Wasch- und Trockengeräte gibt es im Laden keine. Um das Sortiment trotzdem zu präsentieren, hat sich im Foyer des Mini-Centers, wo Real Unterschlupf findet, ein Waschmaschinen-Begrüßungskommitee installiert (siehe Titelfoto), das verspricht:

„Noch mehr Auswahl, einfach bestellen!“

Nicht am Tablet oder Touchscreen, nein, sondern aus dem darunter angebrachten Ringbuch-Laminierkatalog. Dieses Ensemble hält die Metro-Tochter in Dinslaken auch für angemessen, um ihre Kunden beim Einkauf „Herzlich willkommen!“ zu heißen.

Wer lieber ein Fahrrad erwerben möchte, hat sich ja bereits – wie früher – am Rolltreppenabgang vom Parkhaus ausführlich informieren können.


Ladendesign: Bisschen Farbe wird schon reichen

„Die bisher farblich unterschiedlichen Fachabteilungen werden in Zukunft mit einem einheitlichen, modernen Farbcode und neuen Wandschriftzügen gestaltet“,

kündigte Real im November das verbesserte Ladendesign an – und in der Tat ist der komplette Laden nun in Betongrau gestrichen, auf dem weiße Sortimentshinweise angebracht sind. Das zementiert zwar eine gewisse Ruhe im Laden, geht in diesem Fall aber zu Lasten der Übersichtlichkeit. Und zwar, weil Real nicht mehr hinschreibt, was im Regal zu finden ist, sondern die Sortimente nach seinem „Das Gute leben“-Prinzip chiffriert.

Das heißt, die Hinweise setzen sich zusammen aus „Gutes“ und einem Synonym für das gemeinte Sortiment: „für süße Momente“ (Süßwaren); „für ein schönes Heim“ (Haushaltswaren) bzw. „zum Start in den Tag“ (Frühstück) und „aus Schrot und Korn“ (Backwaren).

In der Krefelder „Markthalle“, die dafür Pate stand, ergibt diese Kennzeichnung einigermaßen Sinn, weil der riesige Laden inklusive Gastronomie im Wesentlichen für Einkaufsbummler angelegt ist. Anders als der reguläre Real in Dinslaken. Vor allem erfordert diese Kennzeichnung – so ganz ohne unterstützende Piktogramme – jedes Mal eine Transferleistung des Kunden, der am einen Ende des Ladens einfach nur wissen will, wo am anderen Ende verdammt noch mal die Cornflakes stehen.

Abgesehen davon, dass die „Gutes“-Deklaration auf viele Abteilungen allenfalls mittelmäßig passt (kaufen Sie sonst auch „Gutes aus der Welt der Technik“?) – oder unfreiwillig komisch wirkt.

Mag sein, dass Real mit der neuen Gestaltung aufgeräumter sein möchte; erstaunlicherweise ist die jetzige Umgestaltung aber eine 180-Grad-Kehrtwende zum vorigen Ladendesign, das ganz zentral auf Farbkennzeichungen und Sortimentssymbole setzte und vor nicht einmal fünf Jahren als Nonplusultra angekündigt war („Die neu gestalteten Abteilungen mit einladendem Ambiente bieten breite Gänge, eine große Auswahl, interessante Angebote und viele Ideen für den Alltag“).

Konsequent weiterentwickelt hat dieses Prinzip nicht etwa Real, sondern Großflächen-Wettbewerber Kaufland, der für seine ebenfalls stark modernisierungsbedürftigen Filialen die richtige Balance aus Erneuerung und SB-Warenhaus-Tradition gefunden zu haben scheint. (Und dafür auch deutlich mehr Geld ausgeben dürfte.)


Ambiente: Dinslaken ist nicht Krefeld

Reals Ankündigung vom November umfasste „deutlich sichtbare Veränderungen“ in den renovierten Märkten. Und wenn man den Kundenurteilen im Netz glauben darf, hat sich die Situation in Dinslaken im Vergleich zu vorher wirklich verbessert. Objektiv betrachtet ist das allerdings eher als Armutszeugnis für den vorherigen Zustand des Markts zu werten.

Denn in vielen Sortimenten scheint sich bis auf einen neuen Anstrich gar nicht viel geändert zu haben.

Obst und Gemüse werden nicht mehr in Marktstandoptik, sondern schlichterer Schiefertafeloptik präsentiert, im Wesentlichen besteht die Abteilung aber weiterhin aus aufeinander gestapelten schwarzen Mehrwegboxen. Auch Monate nach dem Umbau war offensichtlich keine Zeit, das alte Abteilungslogo auf der Rückseite der Preisschilder durch das neue zu ersetzen.

Die Weinabteilung mit den bordeauxfarbenen Metallmarkisen, in denen die Spot-Beleuchtung eingelassen ist, scheint völlig unberührt geblieben zu sein.

Und die „Hausbäckerei“ zwingt Kunden weiterhin, Aufbackware in vorgepackter Menge zu kaufen – anstatt sich die gewünschte Anzahl an Brötchen bzw. Snacks selbst aus der Aufbackzelle zu rütteln, wie es fast überall sonst Standard ist.

Nicht mal in der Drogerieabteilung hat das Budget für einen neuen Boden gereicht.

Die „Hausgemacht“-Kühltruhe steht verloren im Mittelgang herum.

Vor der Tiefkühlabteilung am hinteren Ende des Markts (die dort aus Auftaugründen nicht hingehört) haben sich schon wieder rabattierte Restposten in Gittertischen zusammengerottet, um dort auf ihre Erlösung durch einsichtige Schnäppchenjäger zu warten. („Ignorieren Sie das einfach“, sagt der Marktmitarbeiter, der Gäste daran vorbei in Richtung Lager führt.)

Die Wochenangebote werden weiterhin um die Warensicherungssäulen getackert.

Und überall dort, wo auf der Verkaufsfläche ein bisschen Platz gelassen wurde, tagt schon wieder die Jahreshauptversammlung der Sonderpostenpappaufsteller.

Die Schwarz-Weiß-Optik und das Symbolrind, das „Gutes von unserem Meistermetzger“ verspricht, erinnert in der Tat (deutlich unaufwändiger) an das Krefelder Thekenbeschilderungsvorbild. Weitere Elemente aus der erfolgreichen „Markthalle“, von denen Real einige doch in die übrigen Filialen integrieren wollte, entziehen sich in Dinslaken vollständig ihrer Sichtbarkeit.

Obwohl Platz gewesen wäre, gibt es keine ernst zu nehmende Gastronomie in Eigenregie, nicht mal im Miniformat, sondern bloß: die gute alte Heiße Theke; eine grundlegende Überarbeitung der Sortimentsanordnung fehlt ebenso wie SB-Kassen für Schnelleinkäufer.

Mag sein, dass das hier alles nicht hingepasst hätte. Aber das belegt nur, wie ungeeignet Krefeld als Vorbild für den Großteil des Filialnetzes tatsächlich ist – und wie nutzlos, um Real als Ganzes zukunftssicher aufzustellen.


Real behauptet, „Der beste Wochenmarkt Deutschlands“ sein zu wollen; in Dinslaken entpuppt sich das aber bloß als Fortsetzung der Strategie, die das Unternehmen auch bisher schon verfolgt. Alle paar Jahre entstehen Konzeptmärkte, die sich von Kunden, Journalisten und Lieferanten kurz als wegweisende Neuentwicklung bestaunen lassen; die meisten Änderungen kommen in den übrigen Läden aber entweder gar nicht an, oder erst dann, wenn es eigentlich schon zu spät und die nächste Modernisierung notwendig geworden ist.

Das ging so lange halbwegs gut, wie ein großer Teil der Wettbewerber mit ihren Ladenformaten ganz ähnliche Strategien verfolgte. Spätestens seitdem die Discounter viel mehr Wert auf eine zeitgemäße Optik im Laden legen, dürfte diese Strategie aber im Eiltempo zu einem ganz massiven Wettbewerbsnachteil für die Metro-Tochter werden.

Mag sein, dass sich so Kosten einsparen lassen.

Aber wenn Real auch sein übriges Netz so zu modernisieren gedenkt wie in Dinslaken und Mitarbeiten abverlangt, demnächst zu schlechteren Konditionen als bisher zu arbeiten, ohne dass es ein schlüssiges Konzept für die Zukunft gibt, würde ich im Moment nicht darauf setzen, dass die Handelskette in vier Jahren noch eine Chance hat, die nächste Runde der Minimalkosmetik zu erleben.

Fotos: Supermarktblog"

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Der Beitrag Reals Mogel-Modernisierung in Dinslaken: Dasselbe in Grau erschien zuerst auf Supermarktblog.


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